Beschreibung
Diese maßgeschneiderte Lederjacke war Teil der Uniform der motorisierten Verkehrsgruppe der Polizei, einer Motorradeinheit, die intern die Bezeichnung "MOT" trägt. Die Motorradgruppe der Polizei ist historisch auch als "die weißen Mäuse" bekannt, ein Spitzname, der in den Aktivitäten und Presse-Aussendungen zu Beginn der 2000er Jahre auch zur Eigenbeschreibung verwendet wurde. Hintergrund war die bei der Verkehrspolizei früher übliche Signalfarbe weiß, die in den 1950er Jahren sowohl bei der Uniform wie auch beim Motorrad zum Einsatz kam. Der Legende nach kam die Bezeichnung "weiße Mäuse" auf, da die Gendarmerie in der Nachkriegsjahren zur Begleitung und zum Schutz von Lebensmitteltransporten eingesetzt wurde: Die Motorradfahrer der Polizei folgten dem Getreidetransport wie die weißen Mäuse auf der Suche nach Nahrung. Der Begriff hielt sich auch, als zunächst die Uniform und später auch die Motorräder nicht mehr die weiße Signalfarbe hatten.
Die Ausbildung für die MOT war in den 1990er Jahren sehr populär, der Schenker dieser Jacke berichtete dem TMW: "Jeder wollte das machen". (Alle Zitate hier und im folgenden aus dem Interview mit dem Schenker am 20.01.2020.) Mit Abschluss der Ausbildung kamen Schneider und Schuster in die Kaserne an der Rossauer Lände, um für Jacke, Hose, Handschuhe und Stiefel Maß zu nehmen. Die Motorraduniformen wurden individuell nach Maß angefertigt und den Polizisten ausgehändigt. Auf der Innenseite dieser Jacke sind zwei Stoffetiketten vorhanden, von denen eines kaum mehr leserlich ist. Auf dem anderen ist die Inschrift "Mass-Schneiderei Anton Vanek Euratsfeld 54 NÖ" zu lesen. Der Kragen ist vermutlich aufgrund des langen Gebrauchs leicht zerschließen. Für den Schenker war dies die erste maßgefertigte Kleidung in seinem Leben. Er trug Sorge, dass die Uniform in gutem Zustand verblieb, denn sie war ein "Aushängeschild", gerade auch bei Staatsbesuchen.
Von den 30 Personen, die 1992 die Ausbildung gemeinsam machten, sind 2020 immer noch 15 verblieben. Voraussetzung war neben einem Motorradführerschein auch eine bestimmte Körpergröße und Alter. Auch wenn es nicht direkt eingeschränkt war, wurden nur Männer Mitglied in der MOT. Die Arbeit war physisch herausfordernd. Die Maschinen, anfangs eine BMW R 65, später eine Honda CX 500, hatten ein Eigengewicht von 320 kg, mit Ausrüstung und gefülltem Tank wogen die Motorräder an die 400 kg. Einige mussten die Ausbildung oder die Tätigkeit bei der MOT aufgrund der physischen Anforderungen aufgeben. Der Schenker erinnerte sich vor allem an die Strapazen bei Hitze, wenn die Motorradformation stundenlang am Flugfeld auf die Staatsgäste warten musste und keine Möglichkeit zum Rauchen oder zu einem Toilettengang bestand.
Das Formationsfahren bei Staatsbesuchen sei "bis auf das Blut an den Fingern" geübt worden. Es sei "extrem viel Wert darauf gelegt worden, dass die Formation ordentlich aussah." Der Schenker fuhr in den Motorradformationen für die Bundespräsidenten Klestil und Fischer. Die österreichischen Bundespräsidenten seien damals mit einem Lotsen und meist zwei Fahrzeugen (davon eines für die Sicherheit) losgefahren. Sie seien zeitlich knapp gestartet, um nicht zu früh bei ihrem Auftritt zu erscheinen. Dadurch habe man auf der Fahrt auch manchmal Zeit einholen müssen, um dann pünktlich zu erscheinen. Für ausländische Könige und Präsidenten fuhr eine fünfer Formation, zumeist mit einem Lotsen für das das Tempo und einen Aviso-Fahrer für die Strecke vorneweg. Der Schenker war der vorderste in dieser Formation. Die fünf Mann seien dann noch von Seiten- und Schlussfahrern ergänzt worden, so dass man mit elf Begleit-Motorrädern rechnen musste. Die Schlussfahrer waren immer die neuen, die noch Erfahrungen sammeln und sich hochdienen mussten.
Die Tätigkeiten der MOT umfassten indes nicht nur die Staatsbesuche. Die Einsatzgebiete umfassten den Streifendienst mit dem Motorrad ebenso wie die Autobahnstreife, die LKW-Kontrollen und Alkoholplanquadrate.